10. November 2016 - Vor einigen Jahren war Brasilien der Stern am Himmel der aufstrebenden Märkte. Dann kam das Drama – in mindestens fünf Akten. Aktuell ist vom einstigen Glanz wenig zu sehen. Das Land steht wirtschaftlich am Abgrund. Doch es gibt am Horizont auch einige Lichtblicke, die die Hoffnung schüren.
Brasilien steckt mitten in einer schweren Rezession. Die vier „Is“ machen dem Land weiterhin zu schaffen: ein Flaschenhals bei der Infrastruktur, fehlende Investitionen, eine weiterhin hohe Inflation und viele Insolvenzen. Die Samba-Nation nimmt 2016 einen wenig rühmlichen Spitzenplatz ein: beim Negativ-Ranking mit dem weltweit größten Zuwachs an Insolvenzen. 22% mehr Pleiten als im Vorjahr. Damit liegt die Samba-Nation beim Zuwachs sogar noch vor China.
Die große Abhängigkeit von Rohstoffexporten und den damit verbundenen Preisschwankungen reihen sich in den Problem-Reigen ein. Hinzu kommen eine hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne und damit eine rückläufige Kaufkraft. Das drückt auf den Binnenkonsum. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation ist die hohe Staatsverschuldung ein beunruhigender Trend. Nicht umsonst haben große Ratingagenturen Brasilien inzwischen auf „Ramsch-Status“ herabgestuft.
Ein Hoffnungsschimmer am Horizont zeigt sich jedoch: In den kommenden Monaten wird sich die Rezession weiter abschwächen. Voraussichtlich im ersten Quartal 2017 wird die Wirtschaft zu positivem Wachstum zurückkehren.
Mini-Wachstum 2017 in Sicht
Mit einem Plus von 0,6% dürfte der Zuwachs 2017 zwar insgesamt verhalten ausfallen. Dennoch ist es ein Aufwärtstrend.
Auch politisch scheint nach dem Korruptions- und Polit-Thriller rund um die Amtsenthebung von Dilma Roussef langsam wieder etwas Ruhe einzukehren. Die Übergangsregierung des in Brasilien nicht unumstrittenen Präsidenten Michel Temer könnte angesichts der bevorstehenden Wahlen 2018 auf eine „Schocktherapie“ setzen und dringend benötigte Reformen schnell auf den Weg bringen. Damit würde sich Brasiliens Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessern.
Erster Erfolg für Michel Temer
Einen ersten wichtigen Erfolg hat Temer im Oktober bereits erzielt und die öffentlichen Realausgaben gedeckelt. Sie sind jetzt an die Inflationsrate des Vorjahres gekoppelt. Obwohl seine Zustimmungswerte bei Amtsübernahme im Mai bei weniger als 20% lagen, hatte er bei Beschluss des Gesetzes im brasilianischen Unterhaus die Rückendeckung der Mehrheit. Temer scheint die Grundlagen für den anvisierten Reformkurs gelegt zu haben.
Guter Plan: Vertrauen zurück gewinnen
Dieser Ausgabendeckel ist insofern richtungsweisend, weil er der Eckpfeiler von Temers Plan ist, Brasiliens strukturelle Schwächen anzugehen. Weitere Maßnahmen sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden. Diese zielen vor allem darauf ab, das Vertrauen der Investoren wieder zu gewinnen – durch eine größere Finanzdisziplin. Orthodoxe Haushaltsführung soll auf die unorthodoxen Ausgaben der letzten Jahre folgen. Das goutieren der internationale Währungsfond und auch Investoren.
Seit der Amtsübernahme im Mai hat der Real seine zuvor rasante Talfahrt beendet und gegenüber dem US-Dollar stark aufgewertet. Die Börsen gingen regelrecht durch die Decke. Scheint also fast so, als könnte auf das brasilianische Drama doch eine „Katharsis“ inklusive Läuterung der Handelnden folgen.