17. Januar 2019 - Der Geist des „No Deal“ Brexit geistert nach den weiteren spektakulären Akten des Shakespeare’schen Drama, das sich die letzten Tage in London abspielte, in fast allen Köpfen. Die Folgen eines solchen ungeordneten Austritts wären in der Tat fatal – für alle Seiten, politisch und vor allem auch wirtschaftlich. Trotzdem ist der „No Deal“ weiterhin nicht die wahrscheinlichste Option.
A propos Optionen – es bleiben immer noch vier verschiedene mögliche Szenarien für Großbritannien. Auch das hat sich nach Ablehnung des Deals durch das britische Parlament und dem Misstrauensvotum nicht geändert: eine Last-Minute-Einigung (wahrscheinlich), eine Verlängerung von Artikel 50 (mittlere Wahrscheinlichkeit), ein „Bremain“ durch einseitigen Widerruf von Artikel 50 seitens Großbritanniens (unwahrscheinlich) und ein „No Deal“ Brexit (auch eher unwahrscheinlich). Aber was bedeuten diese Szenarien nun konkret?
Option 1: Der Geist des „No Deal“ geht um
Kommen wir zurück zum „No Deal“. Der harte Brexit ist weiterhin möglich. Kurzfristig ist er aber eher unwahrscheinlich, da die Möglichkeit besteht, Artikel 50 zu verlängern. Zudem gibt es eine Mehrheit im Parlament, die einen Austritt mit einem Handelsabkommen befürwortet. Seit dem 4. Dezember können Abgeordnete im britischen Parlament zudem Gesetze vorschlagen, die es illegal machen, die EU ohne ein Abkommen zu verlassen.
Ein „No Deal“-Brexit-Deal könnte jedoch dann wahrscheinlicher werden, wenn die Blockadehaltung und Meinungsverschiedenheiten im Parlament während der verlängerten Verhandlungsdauer anhält und das Vereinigte Königreich eine erneute Verlängerung von Artikel 50 beantragt. Bis dahin fließt aber noch einiges Wasser die Themse hinunter.
In diesem Fall könnten einige EU-Staaten eine erneute Verlängerung ablehnen. Das wäre für die EU allerdings sehr schwierig. Es würde die Anti-EU-Stimmung im Vereinigten Königreich befeuern sowie in anderen Staaten, in denen der Populismus auf dem Vormarsch ist.
Option 2: Last-Minute Deal
Eine Einigung in letzter Sekunde mit Großbritannien ist weiterhin die wahrscheinlichste Option. Trotz der „Maydays“ hat die britische Premierministerin bereits angekündigt, dass sie bleiben und versuchen wird, weitere Zugeständnisse von Europa bei der Vereinbarung zu erhalten. Ihr eigener, freiwilliger Rücktritt ist – zumindest derzeit – also keine Option. Das Misstrauensvotum hat sie ebenfalls wieder überstanden (zumindest für dieses Mal) . Sie ist also weiterhin die Hauptperson in diesem Drama mit zeitweise recht absurden Handlungssträngen.
Theresa May hat jetzt also drei Arbeitstage Zeit. Spätestens am Montag muss die britische Premierministerin erklären, wie es weitergehen soll, wie ihr Plan B aussieht. Es folgt eine 5-tägige Debatte. Um den 29. Januar herum könnte nach unserer Einschätzung eine erneute Abstimmung stattfinden zu diesem Brexit-Deal 2.0 und dann durch das Parlament kommen. Nach Mays heftigen Niederlage im Parlament ist die Europäische Union (EU) vermutlich zu weiteren Zugeständnissen bereit, um den Geist des „No Deals“ aus der Welt zu schaffen.
Ab nach Brüssel – es grüßt das Murmeltier
Bei Mays Rückkehr nach Brüssel geht es vor allem darum, zusätzliche Zusicherungen zu erhalten, dass der irische Backstop vorübergehend sein wird – das ist die Hauptforderung der „rebellierenden“ Tories.
Während der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen bleibt Großbritannien übergangsweise im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Diese Übergangsphase soll bis Ende 2020 gelten. Reicht die Zeit für eine abschließende Klärung der Nordirlandfrage allerdings nicht aus, halten sich beide Seiten offen, diese auf unbestimmte Zeit zu verlängern.
Der sogenannte „Backstop“ ist also eine Art Auffanglösung, in der Großbritannien also weiterhin „drin“ bleibt, um harte Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden. Die „rebellierenden“ Tories wollen deshalb, dass der Deal ein genaues Enddatum für die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen enthält, damit es gar nicht erst zu dieser Notfalllösung kommt.
Selbst eine dritte Abstimmung des Parlaments über das Abkommen kann im Übrigen aktuell nicht ausgeschlossen werden. Bis Mitte Februar würde das gerade noch zeitlich ausreichen, um eine rechtzeitige Ratifizierung des EU-Parlaments (vor dem 29. März) zu ermöglichen.
Option 3: Ab in die Verlängerung
Eine Verlängerung von Artikel 50 über den 29. März 2019 hinaus ist die zweite der verbleibenden Optionen, mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit. Sollte der nächste Versuch, die Vereinbarung im britischen Parlament zu ratifizieren, erfolglos bleiben, ist eine Verlängerung sogar sehr wahrscheinlich.
Jener Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union regelt den Austritt eines Staates aus der Union und setzt diesem Staat eine Frist: Zwei Jahre nach dem Bekunden seines Austrittswillens endet die Mitgliedschaft in der EU. Das wäre bei Großbritannien somit Ende März der Fall. Es gibt aber immer mehr Spekulationen in die Richtung, dass das Vereinigte Königreich um eine Verlängerung dieser Frist bitten wird. Gerüchte deuten darauf hin, dass der Juli ein neues Datum sein könnte. Um Artikel 50 zu verlängern, müssen sowohl das britische Parlament als auch alle EU-Staaten zustimmen.
Bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten im britischen Parlament könnte die Verlängerung zudem von a) allgemeinen Wahlen oder b) einem zweiten Referendum begleitet werden.
Vielleicht doch ohne May?
Eine Verlängerung von Artikel 50 wäre politisch sehr schwierig für May. In diesem Fall könnte sie tatsächlich entscheiden, zurückzutreten. Dann übernimmt entweder ein anderer Konservativer das Amt und bittet um ein Vertrauensvotum des Parlaments oder aber vorgezogene Wahlen könnten ausgerufen werden – entweder von Premierministerin Theresa May selbst oder im Falle eines nicht erfolgreichen Vertrauensvotums des designierten Nachfolgers.
In diesem Fall könnte es tatsächlich zu einem zweiten Referendum über das Abkommen kommen. Allerdings bevorzugen sowohl Tories als auch die Labor Partei derzeit eher ein ausgehandeltes Abkommen.
In beiden Fällen ist eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich, und beide würden einige Zeit in Anspruch nehmen: mindestens 25 Tage für Parlamentswahlen (also höchstwahrscheinlich im März) und etwa drei bis vier Monate für ein zweites Referendum.
Option 4: Hintertür: Zurück auf Los?
Aktuell eher unwahrscheinlich ist, dass das Vereinigte Königreich Artikel 50 einseitig widerruft. Großbritannien kann vom Brexit wieder zurücktreten, indem es Artikel 50 ohne Zustimmung anderer EU-Mitgliedstaaten widerruft. Das hat der Europäische Gerichtshof am 4. Dezember entschieden. Insofern steht – zumindest theoretisch – die Hintertür noch offen und bleibt der „Bremain“ ein mögliches Szenario.
Was bedeutet das für die Wirtschaft? Dass die Unsicherheit weiter anhält, dass das Wachstum einbricht und die Insolvenzen steigen: 9% Zuwachs bei den Pleiten erwarten wir für 2019 im Falle eines Deals – ohne Abkommen sind es 20%. Mehr Details dazu auch in meinem anderen Blog zum Thema Brexit sowie in unserem "Weekly Risk Outlook".
A propos Optionen – es bleiben immer noch vier verschiedene mögliche Szenarien für Großbritannien. Auch das hat sich nach Ablehnung des Deals durch das britische Parlament und dem Misstrauensvotum nicht geändert: eine Last-Minute-Einigung (wahrscheinlich), eine Verlängerung von Artikel 50 (mittlere Wahrscheinlichkeit), ein „Bremain“ durch einseitigen Widerruf von Artikel 50 seitens Großbritanniens (unwahrscheinlich) und ein „No Deal“ Brexit (auch eher unwahrscheinlich). Aber was bedeuten diese Szenarien nun konkret?
Option 1: Der Geist des „No Deal“ geht um
Kommen wir zurück zum „No Deal“. Der harte Brexit ist weiterhin möglich. Kurzfristig ist er aber eher unwahrscheinlich, da die Möglichkeit besteht, Artikel 50 zu verlängern. Zudem gibt es eine Mehrheit im Parlament, die einen Austritt mit einem Handelsabkommen befürwortet. Seit dem 4. Dezember können Abgeordnete im britischen Parlament zudem Gesetze vorschlagen, die es illegal machen, die EU ohne ein Abkommen zu verlassen.
Ein „No Deal“-Brexit-Deal könnte jedoch dann wahrscheinlicher werden, wenn die Blockadehaltung und Meinungsverschiedenheiten im Parlament während der verlängerten Verhandlungsdauer anhält und das Vereinigte Königreich eine erneute Verlängerung von Artikel 50 beantragt. Bis dahin fließt aber noch einiges Wasser die Themse hinunter.
In diesem Fall könnten einige EU-Staaten eine erneute Verlängerung ablehnen. Das wäre für die EU allerdings sehr schwierig. Es würde die Anti-EU-Stimmung im Vereinigten Königreich befeuern sowie in anderen Staaten, in denen der Populismus auf dem Vormarsch ist.
Option 2: Last-Minute Deal
Eine Einigung in letzter Sekunde mit Großbritannien ist weiterhin die wahrscheinlichste Option. Trotz der „Maydays“ hat die britische Premierministerin bereits angekündigt, dass sie bleiben und versuchen wird, weitere Zugeständnisse von Europa bei der Vereinbarung zu erhalten. Ihr eigener, freiwilliger Rücktritt ist – zumindest derzeit – also keine Option. Das Misstrauensvotum hat sie ebenfalls wieder überstanden (zumindest für dieses Mal) . Sie ist also weiterhin die Hauptperson in diesem Drama mit zeitweise recht absurden Handlungssträngen.
Theresa May hat jetzt also drei Arbeitstage Zeit. Spätestens am Montag muss die britische Premierministerin erklären, wie es weitergehen soll, wie ihr Plan B aussieht. Es folgt eine 5-tägige Debatte. Um den 29. Januar herum könnte nach unserer Einschätzung eine erneute Abstimmung stattfinden zu diesem Brexit-Deal 2.0 und dann durch das Parlament kommen. Nach Mays heftigen Niederlage im Parlament ist die Europäische Union (EU) vermutlich zu weiteren Zugeständnissen bereit, um den Geist des „No Deals“ aus der Welt zu schaffen.
Ab nach Brüssel – es grüßt das Murmeltier
Bei Mays Rückkehr nach Brüssel geht es vor allem darum, zusätzliche Zusicherungen zu erhalten, dass der irische Backstop vorübergehend sein wird – das ist die Hauptforderung der „rebellierenden“ Tories.
Während der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen bleibt Großbritannien übergangsweise im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Diese Übergangsphase soll bis Ende 2020 gelten. Reicht die Zeit für eine abschließende Klärung der Nordirlandfrage allerdings nicht aus, halten sich beide Seiten offen, diese auf unbestimmte Zeit zu verlängern.
Der sogenannte „Backstop“ ist also eine Art Auffanglösung, in der Großbritannien also weiterhin „drin“ bleibt, um harte Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden. Die „rebellierenden“ Tories wollen deshalb, dass der Deal ein genaues Enddatum für die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen enthält, damit es gar nicht erst zu dieser Notfalllösung kommt.
Selbst eine dritte Abstimmung des Parlaments über das Abkommen kann im Übrigen aktuell nicht ausgeschlossen werden. Bis Mitte Februar würde das gerade noch zeitlich ausreichen, um eine rechtzeitige Ratifizierung des EU-Parlaments (vor dem 29. März) zu ermöglichen.
Option 3: Ab in die Verlängerung
Eine Verlängerung von Artikel 50 über den 29. März 2019 hinaus ist die zweite der verbleibenden Optionen, mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit. Sollte der nächste Versuch, die Vereinbarung im britischen Parlament zu ratifizieren, erfolglos bleiben, ist eine Verlängerung sogar sehr wahrscheinlich.
Jener Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union regelt den Austritt eines Staates aus der Union und setzt diesem Staat eine Frist: Zwei Jahre nach dem Bekunden seines Austrittswillens endet die Mitgliedschaft in der EU. Das wäre bei Großbritannien somit Ende März der Fall. Es gibt aber immer mehr Spekulationen in die Richtung, dass das Vereinigte Königreich um eine Verlängerung dieser Frist bitten wird. Gerüchte deuten darauf hin, dass der Juli ein neues Datum sein könnte. Um Artikel 50 zu verlängern, müssen sowohl das britische Parlament als auch alle EU-Staaten zustimmen.
Bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten im britischen Parlament könnte die Verlängerung zudem von a) allgemeinen Wahlen oder b) einem zweiten Referendum begleitet werden.
Vielleicht doch ohne May?
Eine Verlängerung von Artikel 50 wäre politisch sehr schwierig für May. In diesem Fall könnte sie tatsächlich entscheiden, zurückzutreten. Dann übernimmt entweder ein anderer Konservativer das Amt und bittet um ein Vertrauensvotum des Parlaments oder aber vorgezogene Wahlen könnten ausgerufen werden – entweder von Premierministerin Theresa May selbst oder im Falle eines nicht erfolgreichen Vertrauensvotums des designierten Nachfolgers.
In diesem Fall könnte es tatsächlich zu einem zweiten Referendum über das Abkommen kommen. Allerdings bevorzugen sowohl Tories als auch die Labor Partei derzeit eher ein ausgehandeltes Abkommen.
In beiden Fällen ist eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich, und beide würden einige Zeit in Anspruch nehmen: mindestens 25 Tage für Parlamentswahlen (also höchstwahrscheinlich im März) und etwa drei bis vier Monate für ein zweites Referendum.
Option 4: Hintertür: Zurück auf Los?
Aktuell eher unwahrscheinlich ist, dass das Vereinigte Königreich Artikel 50 einseitig widerruft. Großbritannien kann vom Brexit wieder zurücktreten, indem es Artikel 50 ohne Zustimmung anderer EU-Mitgliedstaaten widerruft. Das hat der Europäische Gerichtshof am 4. Dezember entschieden. Insofern steht – zumindest theoretisch – die Hintertür noch offen und bleibt der „Bremain“ ein mögliches Szenario.
Was bedeutet das für die Wirtschaft? Dass die Unsicherheit weiter anhält, dass das Wachstum einbricht und die Insolvenzen steigen: 9% Zuwachs bei den Pleiten erwarten wir für 2019 im Falle eines Deals – ohne Abkommen sind es 20%. Mehr Details dazu auch in meinem anderen Blog zum Thema Brexit sowie in unserem "Weekly Risk Outlook".