07. März 2019 - Was soll man zum Brexit noch sagen? Wir sind gefangen in einer geradezu absurden Zeitschleife: Boyz II Men auf „repeat“ mit „It’s so hard to say goodbye to yesterday“. Das würde mir allerdings auch schwer fallen, wenn inzwischen fest steht, dass alle Optionen für Großbritannien wirtschaftlich schlechter sind als die „guten alten Tage“ in der Europäischen Union (EU). Die EU hat viel zu bieten – alleine wird es deutlich schwerer. Deshalb jetzt zurück auf los und am Ende außer Spesen nichts gewesen?
Wir gehen weiterhin mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% von einem „guten Ende“ aus. Das reicht vom Verbleib in der EU über einen weicheren Brexit, doch noch ein (modifiziertes) Handelsabkommen bis hin zur Verlängerung. Und auf Letzteres deutet erst einmal alles hin: eine „Last-Minute-Einigung“ in Form einer Verlängerung von Artikel 50 hin.
Was passiert nächste Woche?
Bis zum 12. März stimmt das britische Unterhaus erneut darüber ab, ob sie das EU-Austrittsabkommen doch noch akzeptieren. Das ist möglich, aber eher unwahrscheinlich. Theresa May hat ihre Mehrheit im Parlament inzwischen verloren, was sie weiter schwächt. Sie bräuchte nun 40 Stimmen der Opposition für ihren Deal. Nachdem Labour-Chef Corbyn sich nun ein zweites Referendum unterstützt, ist das eher keine Option.
Wenn die Abgeordneten den Deal erneut ablehnen, werden sie darüber abstimmen, ob sie die EU ohne Handelsabkommen verlassen wollen. Das ist aber recht unwahrscheinlich. Also wird das Unterhaus über eine kurze Verlängerung der Frist bis zum Austritt abstimmen (aktuell wäre dies der 29. März), wahrscheinlich bis spätestens Ende Juni.
Theresa May braucht dafür eine einfache Mehrheit, also mehr als 320 Stimmen. Da es etwa 70 Abgeordnete ihrer eigenen Partei gibt, die gegen sie und für einen Brexit sind, braucht sie dafür Stimmen der Opposition. Das könnte sehr wahrscheinlich auch klappen, weil diese wiederum auf ein zweites Referendum hoffen, das zwei bis drei Monate dauern würde, um es zu organisieren.
Anschließend würde Premierministerin May mit dem offiziellen Antrag auf eine Verlängerung von Artikel 50 zum EU-Gipfel am 21. März fahren oder ihn vorher schriftlich einreichen. Die Mitgliedstaaten müssten dann einstimmig über die Verlängerung des Verhandlungszeitraums abstimmen – was aber sehr wahrscheinlich ist. Ja, und dann?
3 Optionen und der „No Deal“
Dann gibt es für den „guten Ausgang“ drei Szenarien: Es gibt weiterhin die Option auf einen neu ausgehandelten Brexit-Deal mit einem Enddatum für den sogenannten „Backstop“, der bisher der größte Streitpunkt war. Ein weicherer Brexit mit einem Verbleib Großbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt ist ebenfalls möglich – allerdings wohl erst nach einem Wechsel in der politischen Führung. Oder aber doch noch der Verbleib in der EU. Und dann wäre da noch der schlimmste Fall, der „No Deal“ am Ende der Verlängerung – dem wir weiterhin eine Wahrscheinlichkeit von 25% geben.
Back for good?
Die Opposition hofft auf ein zweites Referendum und selbst in der Politik gibt es erste Spekulationen, dass es tatsächlich doch noch dazu kommt. Der Weg dorthin ist alles andere als ein Selbstläufer und es müssten einige Hürden genommen werden.
Für ein Referendum wäre eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erforderlich, um es zu verabschieden. Wenig verwunderlich unterstützt Theresa May ein zweites Referendum allerdings nicht. Das bedeutet, dass die Oppositionsparteien die Stimmen von mindestens 107 Abgeordneten der Regierungspartei benötigen würden. Selbst wenn sie das schaffen, ist der Ausgang weiter unsicher.
Das fängt bei der Frage für ein Referendum an. Diese ist aktuell nicht klar, sie könnte aber lauten: „eine Wahl zwischen dem Verlassen der EU mit einem ausgehandelten Abkommen oder Verbleib in der EU“.
Die Umfragen deuten zudem darauf hin, dass 54% der Briten für einen Verbleib in der Europäischen Union (EU) sind. Trotz der absurden Dramen seit 2016 sind die Mehrheitsverhältnisse bei den Briten also weiterhin sehr knapp. Ein zweites Referendum würde zudem zwei bis drei Monate dauern, um organisiert zu werden. Aktuell ist ein „Bremain“ also (noch) nicht sehr wahrscheinlich. Das könnte sich nach einigen weiteren Wendungen allerdings noch ändern… zumindest theoretisch gibt es ja auch immer noch die Option, Artikel 50 einseitig zu widerrufen.
Teure „Spesen“: 60 Mrd. EUR an Exporten blieben schon auf der Strecke
Dann wäre das Sprichwort „Viel Lärm um nichts“ sehr passend – oder aber „außer Spesen nichts gewesen“. Die Spesen haben allerdings Wirtschaft und Unternehmen heute schon bezahlt. In Großbritannien sowieso, aber auch in Europa:
Die starke Abwertung des Britischen Pfunds von mehr als 10% seit 2016 hat in Großbritannien zu stark gestiegenen Importkosten geführt. Das Wachstum der britischen Importe lag 2018 beispielsweise bei lediglich 0,8% – das ist der niedrigste Wert seit 2011. Dadurch hat die Eurozone seit 2016 geschätzte 60 Milliarden Euro an potenziellen Exporten verloren.
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