19. Oktober 2018 - Die anhaltenden Brexit-Verhandlungen sorgen für große Unsicherheit. Bei Konsumenten, vor allem aber auch in der Wirtschaft und bei Unternehmen – sowohl in der EU als auch vor allem in Großbritannien selbst.
Es ist wie nach einer Sturmwarnung. Die Bewohner der betroffenen Region hasten in den Supermarkt und hamstern riesige Mengen an Lebensmitteln. Die betroffene Region ist Großbritannien, die Bewohner die dortigen Unternehmen und statt Lebensmittel horten die dortigen Unternehmen zunehmend Importwaren.
Aus mit der Ruhe vor dem Sturm: Hamsterkäufe gestartet
Vor ziemlich genau 2 Jahren habe ich die Brexit-Situation als die Ruhe vor dem Sturm bezeichnet. Die damals erwarteten Szenarien haben sich größtenteils bewahrheitet. Zwar kamen die Folgen später als ursprünglich erwartet, aber dennoch war die Einschätzung nah an der Realität. Damals war es die Ruhe vor dem Sturm. Der ist jetzt so nah, dass die Hamsterkäufe gestartet haben.
Britische Unternehmen versuchen, sich bestmöglich vorzubereiten und so eine Unterbrechung von Produktion oder Lieferkette zu vermeiden. In der Folge stocken sie also die Vorräte an Importgütern auf. Diese könnten im Falle eines harten Brexits mit Zöllen belegt und damit erheblich teurer werden.
4 Minuten Zollkontrolle = 50 Kilometer Stau
Ein fast noch wichtigerer Faktor ist, dass sie bei importierten Waren lange Zollkontrollen fürchten. Das könnte ihre Lieferkette unterbrechen und im schlimmsten Fall die ganze Produktion lahmlegen – ein großes finanzielles Risiko.
Bereits eine Zollkontrolle von lediglich zwei Minuten würde zu einem Stau vor dem Euro-Tunnel von 16 Kilometern führen. Bei vierminütigen Kontrollen wären es fast 50 Kilometer Stau: Just-in-time-Lieferungen wären da fern jeglicher Realität. Also werden die Lager aufgefüllt, um die Unwägbarkeiten zu umgehen – zu Kosten des Working Capitals und der bilanziellen Risiken.
Viele britische Unternehmen prüfen zudem die Möglichkeit, auf lokale Lieferanten umzuschwenken. So könnten sie die Risiken umgehen, die mit einem harten Ausstieg verbunden wären. In einigen Fällen sind sogar lokale Kapazitäten frei, weil europäische Unternehmen umgekehrt ganz ähnliche Maßnahmen eingeleitet haben. Auch sie wollen ihre Abhängigkeit von britischen Lieferanten reduzieren und höhere Kosten durch Zölle vermeiden.
Wirtschaft und Exporteure: Milliarden stehen auf der Kippe
Selbst die deutsche Bundeskanzlerin sagte in ihrer Regierungserklärung, dass Deutschland sich auf einen ungeordneten Austritt Großbritanniens vorbereite. Die Wahrscheinlichkeit, dass bis Januar 2019 kein Deal zustande kommt, ist heute größer denn je.
Ursprünglich lag der „Hard Brexit“ nach unserer Einschätzung bei einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 5% – aktuell ist dieses Szenario mit etwa 25% deutlich realistischer geworden.
30 Milliarden britische Pfund stehen für britische Unternehmen auf dem Spiel. So hoch wären ihre Einbußen im Falle des „No Deal“. Aber auch bei deutschen Exporteure stehen immerhin 8 Milliarden Euro an Exporten auf der Kippe, insbesondere in der Automobilindustrie, Chemiebranche oder im Maschinen- und Anlagenbau.
„Blind Brexit“: Selbst bei Einigung bleiben Details der Umsetzung zunächst unklar
Die Hamsterkäufe sind also nicht verwunderlich – auch wenn das wahrscheinlichste Szenario mit etwa 70% weiterhin die Einigung zwischen EU und Großbritannien bleibt.
Allerdings ist diese Einigung voraussichtlich ein „Blind Date“ für Unternehmen. Denn selbst wenn es eine grundsätzliche Einigung bis zum Jahresende gibt, sind die Details des Handelsabkommens völlig unklar. Diese müssen dann erst sukzessive ausgearbeitet werden. Eine echte Planbarkeit für Unternehmen oder größere Investitionsentscheidungen ist also erst einmal nicht in Sicht.
Trotzdem ist dieses „Blind Date“ für sie immer noch besser als eine unschöne Trennung. Ein solcher „Last-Minute-Deal“ im Januar 2019 könnte immerhin den Weg für eine Übergangsphase bis Ende 2020 ebnen. In der bliebe zunächst alles beim Alten beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie den Grenzkontrollen. Die EU hat zuletzt sogar angeboten, diese Übergangsphase um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Bis zur Lösung leiden Wirtschaft und Währung
Bis dahin geht jedoch noch einiges Wasser die Themse hinunter – und die Wirtschaft und Währung weiter in den Keller: Bis zu einer Einigung dürften die anhalten Diskussionen und Unsicherheiten jedes Quartal bis zu 0,1 Prozentpunkte (pp) beim britischen Wirtschaftswachstum kosten. Insgesamt erhält das Wirtschaftswachstum also einen weiteren Dämpfer und wir gehen beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von nur noch von einem Zuwachs von 1,3% für 2018 und 1,2% für 2019 aus.
Das britische Pfund gerät außerdem weiter unter Druck. Die Profitabilität und Gewinnmargen von Unternehmen sind im Sog des Pfunds bereits dahingeschmolzen: Um ganze 2,5 Prozentpunkte sind sie seit Anfang 2016 geschrumpft – und vorerst ist kein Ende abzusehen. Die Abwertung der Währung geht im Brexit-Karussell in den kommenden Monaten erst einmal weiter, und die Löhne steigen gleichzeitig an.
Keine guten Aussichten für britische Unternehmen also: sinkendes Wirtschaftswachstum und Margen, steigende Kosten, Risiken der Unterbrechung von Produktion und Lieferkette, teilweise neue Lieferanten und höhere Lagerbestände. Das müssen die Unternehmen erst einmal stemmen können…
Es ist wie nach einer Sturmwarnung. Die Bewohner der betroffenen Region hasten in den Supermarkt und hamstern riesige Mengen an Lebensmitteln. Die betroffene Region ist Großbritannien, die Bewohner die dortigen Unternehmen und statt Lebensmittel horten die dortigen Unternehmen zunehmend Importwaren.
Aus mit der Ruhe vor dem Sturm: Hamsterkäufe gestartet
Vor ziemlich genau 2 Jahren habe ich die Brexit-Situation als die Ruhe vor dem Sturm bezeichnet. Die damals erwarteten Szenarien haben sich größtenteils bewahrheitet. Zwar kamen die Folgen später als ursprünglich erwartet, aber dennoch war die Einschätzung nah an der Realität. Damals war es die Ruhe vor dem Sturm. Der ist jetzt so nah, dass die Hamsterkäufe gestartet haben.
Britische Unternehmen versuchen, sich bestmöglich vorzubereiten und so eine Unterbrechung von Produktion oder Lieferkette zu vermeiden. In der Folge stocken sie also die Vorräte an Importgütern auf. Diese könnten im Falle eines harten Brexits mit Zöllen belegt und damit erheblich teurer werden.
4 Minuten Zollkontrolle = 50 Kilometer Stau
Ein fast noch wichtigerer Faktor ist, dass sie bei importierten Waren lange Zollkontrollen fürchten. Das könnte ihre Lieferkette unterbrechen und im schlimmsten Fall die ganze Produktion lahmlegen – ein großes finanzielles Risiko.
Bereits eine Zollkontrolle von lediglich zwei Minuten würde zu einem Stau vor dem Euro-Tunnel von 16 Kilometern führen. Bei vierminütigen Kontrollen wären es fast 50 Kilometer Stau: Just-in-time-Lieferungen wären da fern jeglicher Realität. Also werden die Lager aufgefüllt, um die Unwägbarkeiten zu umgehen – zu Kosten des Working Capitals und der bilanziellen Risiken.
Viele britische Unternehmen prüfen zudem die Möglichkeit, auf lokale Lieferanten umzuschwenken. So könnten sie die Risiken umgehen, die mit einem harten Ausstieg verbunden wären. In einigen Fällen sind sogar lokale Kapazitäten frei, weil europäische Unternehmen umgekehrt ganz ähnliche Maßnahmen eingeleitet haben. Auch sie wollen ihre Abhängigkeit von britischen Lieferanten reduzieren und höhere Kosten durch Zölle vermeiden.
Wirtschaft und Exporteure: Milliarden stehen auf der Kippe
Selbst die deutsche Bundeskanzlerin sagte in ihrer Regierungserklärung, dass Deutschland sich auf einen ungeordneten Austritt Großbritanniens vorbereite. Die Wahrscheinlichkeit, dass bis Januar 2019 kein Deal zustande kommt, ist heute größer denn je.
Ursprünglich lag der „Hard Brexit“ nach unserer Einschätzung bei einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 5% – aktuell ist dieses Szenario mit etwa 25% deutlich realistischer geworden.
30 Milliarden britische Pfund stehen für britische Unternehmen auf dem Spiel. So hoch wären ihre Einbußen im Falle des „No Deal“. Aber auch bei deutschen Exporteure stehen immerhin 8 Milliarden Euro an Exporten auf der Kippe, insbesondere in der Automobilindustrie, Chemiebranche oder im Maschinen- und Anlagenbau.
„Blind Brexit“: Selbst bei Einigung bleiben Details der Umsetzung zunächst unklar
Die Hamsterkäufe sind also nicht verwunderlich – auch wenn das wahrscheinlichste Szenario mit etwa 70% weiterhin die Einigung zwischen EU und Großbritannien bleibt.
Allerdings ist diese Einigung voraussichtlich ein „Blind Date“ für Unternehmen. Denn selbst wenn es eine grundsätzliche Einigung bis zum Jahresende gibt, sind die Details des Handelsabkommens völlig unklar. Diese müssen dann erst sukzessive ausgearbeitet werden. Eine echte Planbarkeit für Unternehmen oder größere Investitionsentscheidungen ist also erst einmal nicht in Sicht.
Trotzdem ist dieses „Blind Date“ für sie immer noch besser als eine unschöne Trennung. Ein solcher „Last-Minute-Deal“ im Januar 2019 könnte immerhin den Weg für eine Übergangsphase bis Ende 2020 ebnen. In der bliebe zunächst alles beim Alten beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie den Grenzkontrollen. Die EU hat zuletzt sogar angeboten, diese Übergangsphase um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Bis zur Lösung leiden Wirtschaft und Währung
Bis dahin geht jedoch noch einiges Wasser die Themse hinunter – und die Wirtschaft und Währung weiter in den Keller: Bis zu einer Einigung dürften die anhalten Diskussionen und Unsicherheiten jedes Quartal bis zu 0,1 Prozentpunkte (pp) beim britischen Wirtschaftswachstum kosten. Insgesamt erhält das Wirtschaftswachstum also einen weiteren Dämpfer und wir gehen beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von nur noch von einem Zuwachs von 1,3% für 2018 und 1,2% für 2019 aus.
Das britische Pfund gerät außerdem weiter unter Druck. Die Profitabilität und Gewinnmargen von Unternehmen sind im Sog des Pfunds bereits dahingeschmolzen: Um ganze 2,5 Prozentpunkte sind sie seit Anfang 2016 geschrumpft – und vorerst ist kein Ende abzusehen. Die Abwertung der Währung geht im Brexit-Karussell in den kommenden Monaten erst einmal weiter, und die Löhne steigen gleichzeitig an.
Keine guten Aussichten für britische Unternehmen also: sinkendes Wirtschaftswachstum und Margen, steigende Kosten, Risiken der Unterbrechung von Produktion und Lieferkette, teilweise neue Lieferanten und höhere Lagerbestände. Das müssen die Unternehmen erst einmal stemmen können…