15. November 2016 - Die betroffenen Unternehmen stehen meist unter Schock, wenn der Brief ins Haus flattert: Der Insolvenzverwalter eines in die Pleite geschlitterten Abnehmers fordert sicher geglaubte Zahlungen zurück. Der Bundesligist Bayer Leverkusen war das bis dato vermutlich prominenteste Opfer: 2014 verklagte der Insolvenzverwalter des Billigstromanbieters Teldafax den Fußballverein auf die Rückzahlung von Sponsorengeldern in Höhe von 16 Millionen Euro plus Zinsen. Der Grund: Der Verein soll von der finanziellen Schieflage des später insolventen Stromanbieters gewusst haben.
Die Grundlage: Paragraph 133 der Insolvenzordnung. Dieser macht eine Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen bis zu zehn Jahre rückwirkend möglich. Ziel ist es, diese in die Insolvenzmasse einfließen zu lassen. Damit soll die Benachteiligung einzelner Gläubiger verhindert werden. Doch was passiert mit Unternehmen, die plötzlich sicher geglaubte Zahlungen auf ihrer Habenseite wieder zurückzahlen sollen? Sie trifft es wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Im schlimmsten Fall ist sogar die Existenz in Gefahr. Ein wahrlich scharfes Schwert.
Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere durch ein Urteil aus 2012, macht es zu einem solchen. Danach kann schon eine getroffene Ratenzahlung das ausschlaggebende Indiz sein, um dem Insolvenzverwalter die Anfechtung zu ermöglichen.
Anfechtung leicht gemacht
Durch diese vom BGH eingeführte erhebliche Beweiserleichterung sind Anfechtungen für den Insolvenzverwalter wesentlich einfacher. Entsprechend sind die Fälle sprunghaft angestiegen. Und nicht nur die Anzahl ist gestiegen – auch der Zeitraum hat sich seither sukzessive verlängert: Inzwischen werden regelmäßig Zahlungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zurückgefordert. Zuvor waren es meist nur Zahlungen aus den letzten Monaten vor der Insolvenz.
Unternehmen: Unter Schock
Für die Unternehmen ist es eine Situation wie in einem schlechten Film. Zumal die Rückforderungen zuzüglich von Zinsen sind. Das macht das Vorgehen für Insolvenzverwalter noch attraktiver, mit allen Mitteln die Insolvenzmasse zu mehren.
Gefahr nicht gebannt
Der Anstieg der Rückforderungen ist so stark, dass auch die Bundesregierung ein Ungleichgewicht erkannt hat. Sie sieht Reformbedarf bei der Gesetzeslage. Bereits seit geraumer Zeit ist ein Gesetzentwurf in der Diskussion, der unter anderem zumindest eine Verkürzung der Frist von bisher maximal zehn Jahren auf vier Jahre vorsieht.
Das unternehmerische Risiko bleibt bei einer Verkürzung jedoch bestehen: Die meisten Insolvenzanfechtungen erfolgen schon jetzt im Zeitraum von zwei bis vier Jahren vor der Insolvenz. Die Gefahr ist also selbst dann nicht gebannt, wenn das Gesetz verabschiedet werden sollte. Der Blitz kann also weiterhin an der gleichen Stelle einschlagen.