26.01.2021 - Die große Pleitewelle durch die Coronakrise bleibt bisher aus. Verzögert sie sich nur? Oder haben wir vielleicht sogar eine Chance, ihr ganz zu entgehen?
Die Insolvenzentwicklung ist unter normalen Umständen ein Indikator für die wirtschaftliche Lage eines Landes und seiner Unternehmen. Aber normale Umstände gibt es in Zeiten von Covid-19 wohl in den wenigsten Bereichen, auch nicht in der Wirtschaft oder bei den Insolvenzen. Denn dieser Wirtschaftsindikator ist aktuell in vielen Fällen komplett entkoppelt vom tatsächlichen Ist-Stand.
Der Grund dafür sind die umfangreichen Maßnahmenpakete, die von den einzelnen Regierungen auf den Weg gebracht wurden mit dem Ziel, Unternehmen zusätzliche Zeit und Flexibilität zu verschaffen, um sich auf die neue Normalität vorzubereiten. Auch in Deutschland gab und gibt es zahlreiche finanzielle Hilfen für Unternehmen – und unter bestimmten Umständen müssen sie weiterhin keine Insolvenz beantragen, auch wenn die Finanzlage das eigentlich verlangen würde. Beides hat die Zahl der Insolvenzen bisher künstlich niedrig gehalten.
Grundsätzlich war es richtig und wichtig von der Bundesregierung, diese Entscheidungen zu treffen. Trotz der Wirtschaftskrise durch die Covid-19-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft sich als vergleichsweise robust erwiesen. Lieferketten wurden so gut wie möglich geschützt, viele Unternehmen haben dank der Hilfen die bestmögliche Startposition für eine hoffentlich bald anstehende Rückkehr in die Normalität.
Es hängt Vieles davon ab, wann die Staatshilfen auslaufen
Leider heißt das aber noch nicht, dass wir überhaupt keine steigenden Insolvenzen sehen werden. Wie viele genau es sein werden, lässt sich wegen der aktuellen Situation nur sehr schwer exakt voraussagen. Eines ist aber sicher: Es hängt davon ab, wann die Staatshilfen enden.
Diese Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt ist eine Gratwanderung. Ein zu früher Ausstieg könnte Teile des Erreichten gefährden, ein zu später Ausstieg ganz andere Probleme schaffen. Denn: Kurzfristig deutlich weniger Insolvenzen bedeuten im Umkehrschluss mehr Insolvenzen auf lange Sicht. Grund ist die dann zunehmende „Zombiefizierung“ von Unternehmen, die es auch schon vor der Krise gab, die sich aber währenddessen noch verstärkt haben dürfte. Diese sogenannten „Zombie-Unternehmen“ sind hochverschuldet, unprofitabel und nicht fähig, die Zinsen für ihre Schulden zu tilgen. Durch Niedrigzinsen und Hilfsprogramme können sie sich weiter über Wasser halten – und binden Kapital, Ressource und vor allem Fachkräfte.
Die goldene Mitte beim Zeitpunkt des Ausstiegs zu treffen, gleicht daher einem Spagat. Weil dieser Ausstieg noch nicht feststeht, können auch alle Prognosen zu Insolvenzzahlen nur vorläufig sein. Bisher ist der Ausblick allerdings positiver als viele das vielleicht erwarten würden.
Blick zurück: 2020 mit weniger Insolvenzen trotz Krise
Werfen wir zunächst einen Blick zurück: Im Jahr 2020 waren die Insolvenzen entgegen vieler Befürchtungen sogar deutlich rückläufig: Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass 2020 mit einem Rückgang von -14 Prozent auf etwas mehr als 16.000 Insolvenzen im gesamten Jahr geendet ist, dem niedrigsten Stand seit 1993 – trotz der größten Wirtschaftskrise in der deutschen Nachkriegszeit. Die vorläufigen Zahlen für November und Dezember deuten aber auf eine Trendwende im Vergleich zu den Vormonaten hin – mit einem Anstieg der Insolvenzen um fünf Prozent im November und 18 Prozent im Dezember – allerdings noch im Monats- und nicht im Jahresvergleich.
Ebenfalls negativ: Die Großinsolvenzen in Deutschland sind bis September 2020 gegen diesen Trend deutlich angestiegen: 43 große Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro) rutschten in die Insolvenz, gegenüber 27 in den ersten neun Monaten des Vorjahres. Das ist ein Anstieg um knapp 60 Prozent – trotz der bis Ende September komplett ausgesetzten Insolvenzantragspflicht.
Wann die Entwicklung von Wirtschaft und Insolvenzen wieder im Gleichschritt geht, ist aktuell nicht abzusehen. Aber so viel steht fest: Irgendwann steht der sukzessive Übergang in die neue Normalität an. Das Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen dürfte dann zu einem verzögerten globalen Insolvenzanstieg führen.
In 2021 dürften die Insolvenzen nur langsam ansteigen
Aber: Die Regierungen in den einzelnen Ländern werden mit großer Sicherheit die Hilfsprogramme nicht abrupt beenden und damit das Erreichte aufs Spiel setzen, sondern sie allmählich auslaufen lassen. Erste Zeichen aus Brüssel deuten darauf hin, dass es in Europa noch zumindest im ganzen Jahr 2021 staatliche Unterstützungsmaßnahmen geben könnte – was natürlich die Prognose für Wirtschaft und Insolvenzen erneut verändern würde.
Mit dem Auslaufen der Konjunkturprogramme und sonstigen Unterstützungsmaßnahmen dürften auch in Deutschland die Fallzahlen ansteigen. Allerdings nicht sprunghaft, sondern allmählich. Wir gehen aktuell davon aus, dass die Insolvenzzahlen in Deutschland im 2. Halbjahr 2021 wieder ansteigen werden, sodass wir im ganzen Jahr eine Steigerung von rund fünf Prozent sehen werden. Mit 15 Prozent dürfte der Anstieg in 2022 ein ganzes Stück größer ausfallen.
Allerdings von sehr niedrigem Niveau kommend. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen können wir in 2022 voraussichtlich mit rund 19.500 Insolvenzen rechnen. Das entspräche dem Niveau von 2016 und läge unter den Spitzenwerten von 2009 und 2013.
Der genaue Zeitpunkt für das Auslaufen der politischen Unterstützungsmaßnahmen bleibt aber entscheidend. Und dieser ist aktuell unklar. Jede erneute Verlängerung verändert die Rahmenbedingungen, die Aussichten und damit auch die Prognosen erheblich – in allen Ländern.
Die Insolvenzentwicklung ist unter normalen Umständen ein Indikator für die wirtschaftliche Lage eines Landes und seiner Unternehmen. Aber normale Umstände gibt es in Zeiten von Covid-19 wohl in den wenigsten Bereichen, auch nicht in der Wirtschaft oder bei den Insolvenzen. Denn dieser Wirtschaftsindikator ist aktuell in vielen Fällen komplett entkoppelt vom tatsächlichen Ist-Stand.
Der Grund dafür sind die umfangreichen Maßnahmenpakete, die von den einzelnen Regierungen auf den Weg gebracht wurden mit dem Ziel, Unternehmen zusätzliche Zeit und Flexibilität zu verschaffen, um sich auf die neue Normalität vorzubereiten. Auch in Deutschland gab und gibt es zahlreiche finanzielle Hilfen für Unternehmen – und unter bestimmten Umständen müssen sie weiterhin keine Insolvenz beantragen, auch wenn die Finanzlage das eigentlich verlangen würde. Beides hat die Zahl der Insolvenzen bisher künstlich niedrig gehalten.
Grundsätzlich war es richtig und wichtig von der Bundesregierung, diese Entscheidungen zu treffen. Trotz der Wirtschaftskrise durch die Covid-19-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft sich als vergleichsweise robust erwiesen. Lieferketten wurden so gut wie möglich geschützt, viele Unternehmen haben dank der Hilfen die bestmögliche Startposition für eine hoffentlich bald anstehende Rückkehr in die Normalität.
Es hängt Vieles davon ab, wann die Staatshilfen auslaufen
Leider heißt das aber noch nicht, dass wir überhaupt keine steigenden Insolvenzen sehen werden. Wie viele genau es sein werden, lässt sich wegen der aktuellen Situation nur sehr schwer exakt voraussagen. Eines ist aber sicher: Es hängt davon ab, wann die Staatshilfen enden.
Diese Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt ist eine Gratwanderung. Ein zu früher Ausstieg könnte Teile des Erreichten gefährden, ein zu später Ausstieg ganz andere Probleme schaffen. Denn: Kurzfristig deutlich weniger Insolvenzen bedeuten im Umkehrschluss mehr Insolvenzen auf lange Sicht. Grund ist die dann zunehmende „Zombiefizierung“ von Unternehmen, die es auch schon vor der Krise gab, die sich aber währenddessen noch verstärkt haben dürfte. Diese sogenannten „Zombie-Unternehmen“ sind hochverschuldet, unprofitabel und nicht fähig, die Zinsen für ihre Schulden zu tilgen. Durch Niedrigzinsen und Hilfsprogramme können sie sich weiter über Wasser halten – und binden Kapital, Ressource und vor allem Fachkräfte.
Die goldene Mitte beim Zeitpunkt des Ausstiegs zu treffen, gleicht daher einem Spagat. Weil dieser Ausstieg noch nicht feststeht, können auch alle Prognosen zu Insolvenzzahlen nur vorläufig sein. Bisher ist der Ausblick allerdings positiver als viele das vielleicht erwarten würden.
Blick zurück: 2020 mit weniger Insolvenzen trotz Krise
Werfen wir zunächst einen Blick zurück: Im Jahr 2020 waren die Insolvenzen entgegen vieler Befürchtungen sogar deutlich rückläufig: Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass 2020 mit einem Rückgang von -14 Prozent auf etwas mehr als 16.000 Insolvenzen im gesamten Jahr geendet ist, dem niedrigsten Stand seit 1993 – trotz der größten Wirtschaftskrise in der deutschen Nachkriegszeit. Die vorläufigen Zahlen für November und Dezember deuten aber auf eine Trendwende im Vergleich zu den Vormonaten hin – mit einem Anstieg der Insolvenzen um fünf Prozent im November und 18 Prozent im Dezember – allerdings noch im Monats- und nicht im Jahresvergleich.
Ebenfalls negativ: Die Großinsolvenzen in Deutschland sind bis September 2020 gegen diesen Trend deutlich angestiegen: 43 große Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro) rutschten in die Insolvenz, gegenüber 27 in den ersten neun Monaten des Vorjahres. Das ist ein Anstieg um knapp 60 Prozent – trotz der bis Ende September komplett ausgesetzten Insolvenzantragspflicht.
Wann die Entwicklung von Wirtschaft und Insolvenzen wieder im Gleichschritt geht, ist aktuell nicht abzusehen. Aber so viel steht fest: Irgendwann steht der sukzessive Übergang in die neue Normalität an. Das Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen dürfte dann zu einem verzögerten globalen Insolvenzanstieg führen.
In 2021 dürften die Insolvenzen nur langsam ansteigen
Aber: Die Regierungen in den einzelnen Ländern werden mit großer Sicherheit die Hilfsprogramme nicht abrupt beenden und damit das Erreichte aufs Spiel setzen, sondern sie allmählich auslaufen lassen. Erste Zeichen aus Brüssel deuten darauf hin, dass es in Europa noch zumindest im ganzen Jahr 2021 staatliche Unterstützungsmaßnahmen geben könnte – was natürlich die Prognose für Wirtschaft und Insolvenzen erneut verändern würde.
Mit dem Auslaufen der Konjunkturprogramme und sonstigen Unterstützungsmaßnahmen dürften auch in Deutschland die Fallzahlen ansteigen. Allerdings nicht sprunghaft, sondern allmählich. Wir gehen aktuell davon aus, dass die Insolvenzzahlen in Deutschland im 2. Halbjahr 2021 wieder ansteigen werden, sodass wir im ganzen Jahr eine Steigerung von rund fünf Prozent sehen werden. Mit 15 Prozent dürfte der Anstieg in 2022 ein ganzes Stück größer ausfallen.
Allerdings von sehr niedrigem Niveau kommend. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen können wir in 2022 voraussichtlich mit rund 19.500 Insolvenzen rechnen. Das entspräche dem Niveau von 2016 und läge unter den Spitzenwerten von 2009 und 2013.
Der genaue Zeitpunkt für das Auslaufen der politischen Unterstützungsmaßnahmen bleibt aber entscheidend. Und dieser ist aktuell unklar. Jede erneute Verlängerung verändert die Rahmenbedingungen, die Aussichten und damit auch die Prognosen erheblich – in allen Ländern.