27. März 2017 - Am 29. März will die britische Regierung ihren Austritt aus der Europäischen Union (EU) formell beantragen. Der Brexit wird dann quasi „amtlich“. Bis es soweit ist, fließt noch viel Wasser die Themse hinunter. Derzeit sogar noch bei recht freundlicher wirtschaftlicher Stimmung.
Die meisten Experten haben mit einem einmaligen harten Einschnitt durch den Brexit gerechnet. Das ist nicht eingetreten. Lagen die Analysten deshalb alle falsch mit ihren Negativ-Prognosen? Mitnichten. Der kumulative Effekt, beispielsweise bei Wirtschaftswachstum oder Insolvenzen, wird in den kommenden Jahren fast der gleiche sein. Großbritannien wird die wirtschaftlichen Auswirkungen noch zu spüren bekommen. Nicht auf einen Schlag, aber schleichend.
Aber: Die britischen „Puffer“ wurden von fast allen stark unterschätzt. Insgesamt gibt es vier Hauptgründe, warum sich die negativen Brexit-Effekte verzögert haben: Der solide britische Privatkonsum auf Kosten der Ersparnisse, die unterstützende Fiskalpolitik, die schnelle geldpolitische Reaktion der Bank of England und der überraschend starke Dienstleistungssektor.
Ran ans Ersparte
Wer hätte letztes Jahr schon damit gerechnet, dass die Briten an ihr Erspartes gehen? Und das trotz der massiven Pfund-Abwertung. Welches Ersparte überhaupt, mag sich der eine oder andere zuallererst fragen. Tatsächlich haben die Briten eine Sparquote von 5,6 Prozent. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Deutschen. Nichtsdestotrotz haben sie dieses Ersparte genutzt und damit den Binnenkonsum gestützt.
Theresa May hat mit ihrer schnörkellosen Linie und ihren unmissverständlichen Aussagen für Klarheit gesorgt. Das gibt in den unsicheren Zeiten der Wirtschaft zumindest eine gewisse Sicherheit zurück. Unternehmen haben dadurch zumindest eine gewisse Planungssicherheit.
May alleine kann es nicht richten – aber da wäre ja auch noch die Bank of England mit ihrer Geldpolitik, die nach dem Brexit-Votum schnell für die notwendige Liquidität gesorgt hat.
Der Dienstleistungssektor, einschließlich des Finanzsektors hat sich hingegen überraschend kaum bewegt: Er ruht nahezu still und starr wie der See. Mit dem Brexit-Votum rechneten Experten damit, dass umgehend der „Auszug aus London“ beginnen würde. Passiert ist seither wenig. Der Finanzplatz London wackelt zwar durch die Unsicherheit, aber er fällt (zumindest bisher) nicht.
Alles wird gut?
Die harte Landung Großbritanniens ist durch diese starken – und im Vorfeld stark unterschätzten – Puffer etwas abgefedert worden. Die Endrechnung bleibt aber die gleiche: Die britische Wirtschaft wird einbüßen.
Von ursprünglich 2 Prozent Wachstum beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) in 2016 geht es in den kommenden Jahren schrittweise abwärts: 2017 stehen voraussichtlich noch rund 1,4 Prozent Wachstum zu Buche, 2018 noch gut 1 Prozent. 2019 pendelt es sich vermutlich bei etwa 0,8 Prozent ein – wohl bemerkt unter der Annahme, dass ein weitreichendes Handelsabkommen mit der EU verhandelt wird, das relativ freien Zugang zum EU-Binnenmarkt gewährleistet.
Im schlimmsten Fall – also ohne Handelsabkommen – kippt die Wirtschaft. Dann würde sie 2019 sogar in eine Rezession rutschen. Dieses Negativ-Szenario ist derzeit aber bei Weitem nicht das wahrscheinlichste.
Schleichend bergab
Genauso schleichend steigen die Risiken. An einigen Stellen herrscht jedoch bereits heute unter der Oberfläche ein Schwelbrand. Dieser breitet sich langsam aber sicher aus.
Die Zahlungsmoral – der zuvor sehr zuverlässigen britischen Zahler – hat sich bereits 2016 verschlechtert, in einem zweiten Schritt fallen zunehmend Zahlungen ganz aus und Pleiten sind letztlich die Folge: Offene Forderungen machen rund 40 Prozent der Bilanzen britischer Unternehmen aus. Fällt davon auch nur ein Teil aus, kann es schnell eng werden – auch für deutsche Exporteure.
Rund 5 Prozent mehr Insolvenzen wird die britische Wirtschaft 2017 voraussichtlich verkraften müssen. Damit ist sie übrigens die einzige westeuropäische Volkswirtschaft, die es in die Top 10 des Negativ-Rankings mit der größten Zunahme an Pleiten geschafft hat.
Hinzu kommt, dass die Verschuldung britischer Unternehmen bereits vor dem Brexit-Votum angestiegen ist. Die Anfälligkeit für Schocks oder Volatilitäten ist entsprechend höher. Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der Unternehmen im Vereinigten Königreich leiden.
Die Attraktivität Großbritanniens wird künftig nicht mehr dieselbe sein – auch dann nicht, wenn durch Handelsabkommen mit der EU tatsächlich ein relativ freier Zugang zum großen Binnenmarkt gesichert werden kann. Die britische Wirtschaft wird nach und nach an Bedeutung verlieren.
Selbst ein Platz in den Top 10 der größten Volkswirtschaften ist langfristig fraglich – auch wenn es heute mit der (noch) relativ stabilen Wirtschaft noch nicht danach aussieht.
Die meisten Experten haben mit einem einmaligen harten Einschnitt durch den Brexit gerechnet. Das ist nicht eingetreten. Lagen die Analysten deshalb alle falsch mit ihren Negativ-Prognosen? Mitnichten. Der kumulative Effekt, beispielsweise bei Wirtschaftswachstum oder Insolvenzen, wird in den kommenden Jahren fast der gleiche sein. Großbritannien wird die wirtschaftlichen Auswirkungen noch zu spüren bekommen. Nicht auf einen Schlag, aber schleichend.
Aber: Die britischen „Puffer“ wurden von fast allen stark unterschätzt. Insgesamt gibt es vier Hauptgründe, warum sich die negativen Brexit-Effekte verzögert haben: Der solide britische Privatkonsum auf Kosten der Ersparnisse, die unterstützende Fiskalpolitik, die schnelle geldpolitische Reaktion der Bank of England und der überraschend starke Dienstleistungssektor.
Ran ans Ersparte
Wer hätte letztes Jahr schon damit gerechnet, dass die Briten an ihr Erspartes gehen? Und das trotz der massiven Pfund-Abwertung. Welches Ersparte überhaupt, mag sich der eine oder andere zuallererst fragen. Tatsächlich haben die Briten eine Sparquote von 5,6 Prozent. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Deutschen. Nichtsdestotrotz haben sie dieses Ersparte genutzt und damit den Binnenkonsum gestützt.
Theresa May hat mit ihrer schnörkellosen Linie und ihren unmissverständlichen Aussagen für Klarheit gesorgt. Das gibt in den unsicheren Zeiten der Wirtschaft zumindest eine gewisse Sicherheit zurück. Unternehmen haben dadurch zumindest eine gewisse Planungssicherheit.
May alleine kann es nicht richten – aber da wäre ja auch noch die Bank of England mit ihrer Geldpolitik, die nach dem Brexit-Votum schnell für die notwendige Liquidität gesorgt hat.
Der Dienstleistungssektor, einschließlich des Finanzsektors hat sich hingegen überraschend kaum bewegt: Er ruht nahezu still und starr wie der See. Mit dem Brexit-Votum rechneten Experten damit, dass umgehend der „Auszug aus London“ beginnen würde. Passiert ist seither wenig. Der Finanzplatz London wackelt zwar durch die Unsicherheit, aber er fällt (zumindest bisher) nicht.
Alles wird gut?
Die harte Landung Großbritanniens ist durch diese starken – und im Vorfeld stark unterschätzten – Puffer etwas abgefedert worden. Die Endrechnung bleibt aber die gleiche: Die britische Wirtschaft wird einbüßen.
Von ursprünglich 2 Prozent Wachstum beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) in 2016 geht es in den kommenden Jahren schrittweise abwärts: 2017 stehen voraussichtlich noch rund 1,4 Prozent Wachstum zu Buche, 2018 noch gut 1 Prozent. 2019 pendelt es sich vermutlich bei etwa 0,8 Prozent ein – wohl bemerkt unter der Annahme, dass ein weitreichendes Handelsabkommen mit der EU verhandelt wird, das relativ freien Zugang zum EU-Binnenmarkt gewährleistet.
Im schlimmsten Fall – also ohne Handelsabkommen – kippt die Wirtschaft. Dann würde sie 2019 sogar in eine Rezession rutschen. Dieses Negativ-Szenario ist derzeit aber bei Weitem nicht das wahrscheinlichste.
Schleichend bergab
Genauso schleichend steigen die Risiken. An einigen Stellen herrscht jedoch bereits heute unter der Oberfläche ein Schwelbrand. Dieser breitet sich langsam aber sicher aus.
Die Zahlungsmoral – der zuvor sehr zuverlässigen britischen Zahler – hat sich bereits 2016 verschlechtert, in einem zweiten Schritt fallen zunehmend Zahlungen ganz aus und Pleiten sind letztlich die Folge: Offene Forderungen machen rund 40 Prozent der Bilanzen britischer Unternehmen aus. Fällt davon auch nur ein Teil aus, kann es schnell eng werden – auch für deutsche Exporteure.
Rund 5 Prozent mehr Insolvenzen wird die britische Wirtschaft 2017 voraussichtlich verkraften müssen. Damit ist sie übrigens die einzige westeuropäische Volkswirtschaft, die es in die Top 10 des Negativ-Rankings mit der größten Zunahme an Pleiten geschafft hat.
Hinzu kommt, dass die Verschuldung britischer Unternehmen bereits vor dem Brexit-Votum angestiegen ist. Die Anfälligkeit für Schocks oder Volatilitäten ist entsprechend höher. Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der Unternehmen im Vereinigten Königreich leiden.
Die Attraktivität Großbritanniens wird künftig nicht mehr dieselbe sein – auch dann nicht, wenn durch Handelsabkommen mit der EU tatsächlich ein relativ freier Zugang zum großen Binnenmarkt gesichert werden kann. Die britische Wirtschaft wird nach und nach an Bedeutung verlieren.
Selbst ein Platz in den Top 10 der größten Volkswirtschaften ist langfristig fraglich – auch wenn es heute mit der (noch) relativ stabilen Wirtschaft noch nicht danach aussieht.