Die Allianz hat die 13. Ausgabe ihres "Global Wealth Report" veröffentlicht, der die Vermögens- und Schuldensituation der Haushalte in fast 60 Ländern unter die Lupe nimmt.
Das letzte Hurra
Rückblickend könnte das Jahr 2021 das letzte Jahr der alten "neuen Normalität" gewesen sein, mit steigenden Aktienmärkten, die durch die Geldpolitik angetrieben wurden. Die privaten Haushalte profitierten davon in hohem Maße: Im dritten Jahr in Folge wuchs das globale Finanzvermögen 2021 zweistellig und erreichte 233 Billionen EUR (+10,4 %). In den letzten drei Jahren stieg das Privatvermögen um sage und schreibe 60 Billionen EUR. Dies entspricht einer Erweiterung des globalen Finanzvolumens um zwei Euro-Zonen.
Drei Regionen stachen beim Vermögenswachstum hervor: Asien ohne Japan (+11,3), Osteuropa (12,2 %) - und Nordamerika (+12,5 %): Wie in den beiden Vorjahren verzeichnete die reichste Region der Welt - mit einem Pro-Kopf-Brutto-Geldvermögen von 294.240 Euro gegenüber einem globalen Durchschnitt von 41.980 Euro - schwellenländerähnliche Wachstumsraten. Dagegen verhielt sich Westeuropa (109.340 EUR) mit einem Wachstum von 6,7 % eher wie eine reife, reiche Region.
Hauptwachstumstreiber war der Boom an den Aktienmärkten, der rund zwei Drittel zum Vermögenswachstum im Jahr 2021 beitrug und die Anlageklasse der Wertpapiere (+15,2 %) vorantrieb. Aber auch die Ersparnisse blieben auf hohem Niveau. Obwohl sie 2021 um rund 19% sanken, lagen sie mit 4,8 Billionen Euro immer noch 40% über dem Niveau von 2019. Auch die Zusammensetzung der Ersparnisse änderte sich, wenn auch nur leicht: Der Anteil der Bankeinlagen ging zwar zurück, blieb aber mit 63,2 % die mit Abstand bevorzugte Anlageklasse der Sparer; Wertpapiere sowie Versicherungen und Pensionen fanden dagegen immer mehr Anklang bei den Sparern, ihr Anteil an den neuen Ersparnissen war mit 15,5 % bzw. 17,4 % jedoch deutlich geringer. Aufgrund dieser Dynamik stiegen die weltweiten Bankeinlagen im Jahr 2021 "nur" um 8,6 %, was immer noch der zweitgrößte Anstieg in der Geschichte ist (nach dem Sprung von 12,5 % im Jahr 2020). Die Vermögenswerte von Versicherungen und Pensionsfonds entwickelten sich mit einem Anstieg von 5,7 % deutlich schwächer.
Wendepunkt
Das Jahr 2022 markiert einen Wendepunkt. Der Krieg in der Ukraine hat die Erholung nach Covid-19 abgewürgt und die Welt auf den Kopf gestellt: Die Inflation grassiert, Energie und Nahrungsmittel sind knapp, und die Straffung der Geldpolitik setzt die Volkswirtschaften und Märkte unter Druck. Das Vermögen der privaten Haushalte wird den Druck spüren. Das globale Finanzvermögen wird bis 2022 um mehr als 2 % sinken, was die erste bedeutende Vernichtung von Finanzvermögen seit der globalen Finanzkrise von 2008 darstellt. Real werden die Haushalte ein Zehntel ihres Vermögens verlieren. Doch im Gegensatz zur globalen Finanzkrise, auf die eine relativ rasche Trendwende folgte, sind diesmal auch die mittelfristigen Aussichten eher düster: Bis 2025 wird ein durchschnittliches nominales Wachstum des Geldvermögens erwartet von 4,6 %, verglichen mit 10,4 % in den letzen drei Jahren.
Mit dem Jahr 2021 geht eine Ära zu Ende. Die letzten drei Jahre waren einfach nur außergewöhnlich. Für die meisten Sparer war es ein Glücksfall. Nicht nur 2022, sondern auch die kommenden Jahre werden anders sein. Die Lebenshaltungskostenkrise stellt den Gesellschaftsvertrag auf den Prüfstand. Die Politik steht vor der enormen Herausforderung, die Energiekrise zu meistern, die grüne Transformation zu sichern und das Wachstum anzukurbeln, während die Geldpolitik kräftig auf die Bremse tritt. Es gibt keinen Spielraum mehr für politische Fehler. Der Schlüssel zum Erfolg sind innovative und zielgerichtete Maßnahmen auf nationaler und europäische Einigkeit auf supranationaler Ebene."
Die Rückkehr der Schulden
Ende 2021 beliefen sich die Schulden der privaten Haushalte weltweit auf 52 Billionen EUR. Der jährliche Anstieg von +7,6 % übertraf den langfristigen Durchschnitt von +4,6 % und das für 2020 erwartete Wachstum von +5,5 % bei weitem. Ein höheres Wachstum wurde zuletzt 2006 verzeichnet, also lange vor der Weltwirtschaftskrise. Aufgrund des starken Anstiegs der nominalen Produktion sank die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) sogar auf 68,9% (2020: 70,5%). Die geografische Verteilung der Schulden hat sich seit der letzten Krise verändert. Während der Anteil der fortgeschrittenen Märkte rückläufig ist - der Anteil der USA beispielsweise ist seit der Finanzkrise um zehn Prozentpunkte auf 31 % gesunken -, entfällt ein immer größerer Teil der weltweiten Verschuldung auf die Schwellenländer, allen voran Asien (ohne Japan): Ihr Anteil hat sich in den letzten zehn Jahren auf 27,6 % mehr als verdoppelt. Der starke Anstieg der Verschuldung zu Beginn einer weltweiten Rezession ist besorgniserregend. In den Schwellenländern ist die Verschuldung der privaten Haushalte in den letzten zehn Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten gestiegen, mehr als fünfmal so schnell wie in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Noch scheint die Gesamtverschuldung überschaubar zu sein, aber angesichts des starken strukturellen Gegenwinds, mit dem diese Märkte konfrontiert sind, besteht die reale Gefahr einer Schuldenkrise.